„Jürgen Wolff schafft sich in seiner Welt als Zeichner Aufgaben wie ein Bergsteiger ---die selbst gewählte Schwierigkeit, die Anstrengung, den Gipfel zu erklimmen, muss bewältigt werden: Der Bergsteiger rackert mit dem ganzen Körper und seinem Geschick – Zeichnen ist zwar ein völlig anderer Vorgang, aber Kontrolle des Körpers, Geschick, Können, Erfahrung, Konzentration, Zeitaufwand spielen ebenso eine große Rolle. Alles findet in der Abgeschiedenheit und der Konzentration auf das Funktionieren zwischen Kopf und Hand, zwischen Auge und Zeichenprozess statt…Stunden.

 

Körpereinsatz, Geste, Emotionen, Impressionen, der Augenblick einer sinnlichen Wahrnehmung wird aus diesem Prozess des Zeichnens ferngehalten.

 

Aber stimmt das? Oder finden wir Spuren von Gefühlen, Hinweise darauf, dass diese gezeichneten Gebilde von einem Menschen erzählen, der hier seine Erfahrungen und Gefühle „hineinwebt“?

 

„Hineinweben“ scheint mir ein schöner, passender Begriff zu sein, denn wie die geduldige Arbeit des Webens mit bestimmten Mustern und Ornamenten, die aus der Erfahrung und den Traditionen von Kulturen stammen können, die zum Beispiel in einen Teppich eingewoben werden, finden wir in den Zeichnungen „Eingewobenes“. Am deutlichsten wird das in den Bildern, die verschlüsselte Gedichte darstellen, bis hin zur Codierung von Buchstaben.

 

Codierung - Systeme - Berechnungen – das sind wichtige Elemente dieser künstlerischen Arbeit und das Terrain, wo sich das „Handgemachte“, das Menschliche, die ureigenste Fähigkeit des Menschen: zu zeichnen, Spuren und Linien zu ziehen, Zeichen zu hinterlassen…auf die digitale Welt trifft. Technische Zeichnungen, heute computergesteuerte Prozesse, unüberbietbare Präzision von Computerzeichnungen, Animationen… In diesen Gegensatz zwischen „natürlich“ und den Fragen, die eine weltumspannende Digitalisierung aufwirft, bewegt sich Jürgen Wolff“…

 

„Die Frage des Ebenmaßes, der Schönheit – lässt sie sich durch Berechnungen klären, liegt ihr der „Goldene Schnitt“ zugrunde? Wir denken an die Zeichnung von Leonardo da Vinci, der die perfekten Proportionen des menschlichen Körpers zeichnend berechnet hat – das sind Bezüge die wir in den Arbeiten von Jürgen Wolff entdecken.“

 

„Poesie ist durchaus eine Assoziation beim Betrachten der Zeichnungen. Poetische, duftige Gebilde, schwebend, Balance haltend – in einem Gedicht geht es ja auch um die Reduktion der Worte um Gefühle oder Erfahrungen zu formulieren, das Geschehen wird eingedampft auf verknappte Wortgebilde, die es uns ermöglichen, zwischen den Zeilen zu lesen, so miteinander verknüpft, dass das Dahinterstehende zum Klingen kommt.

 

Das Verfassen eines Gedichtes ebenso wie diese Zeichnungen können wie mir scheint „leidenschaftliche Vertiefung“ sein. Jedoch, die Leidenschaft wird verborgen, oder psychologisch gesprochen „sublimiert“.

 

Diese Gegensätze von Perfektion, Kontrolle und Gefühl, Empfindung, Kühle und Zartheit, Technik und Poesie werden hier ausgelotet. An manchen Stellen brechen sie auf und lösen sich vorsichtig auf.

 

Es sollten nicht die kunsthistorischen Bezüge verschwiegen werden – da ist bei den wenigen stark farbigen flächigen Arbeiten natürlich Vasarely und die OP-Art der 60iger Jahre. Dort angesiedelt auch die konkrete Kunst, die „Bedeutung“ ablehnt und mit reduzierten abstrakten Formelementen arbeitet. Josef Albers z.B. der sein Kunstleben lang Quadrate gemalt hat, der Boom der Siebdrucke…

 

Aber die Linie! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Ziehen einer Linie,das Hinterlassen einer gezeichneten Spur, Zeichen und schließlich Buchstaben und die Abbildung von Dingen aus der Umwelt, das Planen und Konstruieren, eng mit der Entwicklungsgeschichte der Menschen verbunden ist – des Einzelnen  wie der gesamten Menschheit. Jeder Mensch beginnt in früher Kindheit Spuren, Gekritzel, Gezeichnetes auf z. B. einem Blatt Papier oder einfach in den Boden geritzt, zu hinterlassen: hier war ich!

 

Ich denke, noch die perfekteste Computertechnik wird nicht ersetzen, was der Mensch kann: Mit Geist und Hand Zeichen setzen!“